Wir wollen mit einer großen interkulturellen Gruppe junger Erwachsener (20 bis 30 Menschen) ein Experiment wagen: sie tanzen das “Magnificat“ des zeitgenössischen Komponisten John Rutter. Die Musik verschwört sich durch ihren sakralen Charakter vehement gegen die Hörgewohnheiten der jungen Leute - ganz egal welcher Nationalität oder Kultur sie angehören. Das Fremde der Musik soll zur Gemeinsamkeit und zum Bindeglied aller am Projekt Beteiligten werden. Rutters Komposition steckt ein Kraftfeld ab, das eine Vielzahl hochaktueller Themen birgt, die aus Motiven der christlichen Religion stammen. Es geht Um den Transitraum zwischen Freude und Schmerz, zwischen Geburt und Tod, zwischen Freude und Angst angesichts einer Aufgabe. Die Musik entfaltet gegen Leid Gewalt Grausamkeit zu verbünden und aufzurichten. “Magnificat“ enthält grundlegende Hoffnungen und entlädt sich vielfach in überwältigendem Optimismus und Glauben an die eigene Kraft. Hier sind Motive und Ambitionen hinterlegt, die - das zeigt unsere alltägliche Erfahrung in der Arbeit mit jungen Leuten - der Jugend in unserer Zeit vielfach systematisch vorenthalten oder sogar geraubt worden sind. Uns interessiert bei diesem Projekt nicht die rückwärts gewandte kognitive Aufarbeitung, sondern die Vermittlung des Glaubens an die Kraft aus der Verängstigung herauszukommen.
Die Arbeit im Probenraum wird zur Entdeckungsreise mit den Mitteln der Bewegung in die Kraft einer Gruppe. Jeder verschenkt eine Bewegung, die die Gruppe aufnimmt und weiterführt. Es wird keine Solisten geben, kein Bühnenbild, keine Kostüme - nur gemeinsame Bewegung, barfuss, vielleicht auf Sand. Eine Feier der Einfachheit im Jahrmarkt der Eitelkeiten, ein vierzigminütiges Anhalten der Zeit.
Die Inszenierung wird so angelegt sein, dass sie auch draußen gezeigt werden kann. Zu Beginn der Probenarbeit werden wir Tagebücher verschenken: jeder Teilnehmer wird aufgefordert seine persönlichen Erfahrungen in dem Probenprozess aufzuschreiben. Am Ende wird sich zeigen, ob daraus eine Dokumentation erstellt und veröffentlicht werden kann.
Das Projekt “Magnificat“ soll der Anfang einer Kette von Bewegungen und Vernetzungen der freien Jugendtheaterarbeit in Dortmund bilden: Verhandlungen mit der Stadt Dortmund über eine eigene Proben- und Spielstätte für die vielfältigen Aktivitäten stehen kurz vor dem Abschluss.

Anmerkung der TheaterWerkstatt am Westfalenkolleg:
Wir arbeiten dank der Förderung durch “Kultur und Schule“ seit4 Jahren mit der Choreographin Birgit Goetz zusammen. Von Produktion zu Produktion haben sich die Arbeitsweisen mehr und mehr angenähert. Aus einem anfänglichen Nebeneinander verschiedener künstlerischer Formen ist dank der Kontinuität ein Miteinander geworden. Mit diesem Projekt möchten wir die Grenze zwischen Schauspiel und Tanz aufheben, indem wir das von Birgit Goetz Gelernte an sie, an uns und mit ihr an die Gruppe zurückgeben
wollen.