Unter dem Pseudonym Reimerich Kinderlieb verfasste und veröffentlichte der Arzt
Heinrich Hoffmann 1845 das Kinderbuch "Struwwelpeter". Seitdem inspiriert das berühmte
Bilderbuch zahlreiche Künstler, sich mit dem Stoff neu auseinander zusetzen. Die seit
1998 auf deutschen Bühnen erfolgreich gespielte Junkopera "Shockheaded Peter" mit der
Musik der Londoner Kultband "The Tiger Lillies" ist ein Beispiel dafür. Hoffmanns Original
erzählt in 10 gereimten Geschichten von Kindern, die durch ihr angebliches Fehlverhalten
drastische Folgen erleiden. So wollte der Vater seinen Sohn auf fantasievolle Weise vor
den gefährlichen Konsequenzen ungezogenen Verhaltens warnen. Aus Sicht der heutigen
Jugendpsychiatrie sind Struwwelpeter und seine Störenfried-Kollegen volkstümliche
Beschreibungen moderner Krankheitsbilder. Zappelphilipp ist hyperaktiv, Hans guck in die
Luft leidet unter einem Aufmerksamkeitsdefizit und der Suppenkaspar ist magersüchtig.
Aber warum will Peter unbedingt struwwelig bleiben?
Und wieso zappelt Philipp ständig auf seinem Stuhl herum?
Und warum guckt Hans dauernd in die Luft?
Haben sie womöglich gute Gründe dafür?
In der städt. Förderschule Lentzestrasse vereinen sich Schüler mit den unterschiedlichsten
Lernbehinderungen. Vorwiegend soziale und emotionale Verhaltensauffälligkeiten machen
diesen Schülern das Lernen schwer. Ich gehe deshalb davon aus, dass sich die Schüler gut
mit Struwwelpeter, Zappelphilipp und Co. identifizieren können. Ich möchte ihnen
Gelegenheit geben, in die Figuren hineinzuschlüpfen und die Geschichten szenisch zu
erarbeiten. Die sprachlich dichte Textvorlage des Buches eignet sich gut für eine
dramatische Umsetzung. Starke theatralische Formen, wie das chorische Sprechen der
Verse oder das choreografische Umsetzen von Bewegungsmustern wie "am Tisch
zappeln" oder "beim Gehen in die Luft gucken" bieten sich hier an. Auch der Einsatz der
Musik aus der erwähnten Junkopera "The Shockheaded Peter" ist vorgesehen und für die
geplante Altersstufe von 12-14 Jahren sicher ein zusätzlicher Anreiz. Am Ende des
Projektes soll eine schulinterne Präsentation vor Publikum stehen.
Neben der Förderung des körperlichen und sprachlichen Ausdrucks, wird durch die
chorische und choreografische Arbeit die Teamfähigkeit besonders gestärkt. Über die
künstlerische Beschäftigung mit den vermeintlich Ungezogenen erhalten die Schüler
zudem die Möglichkeit, sich mit ihren eigenen Schwächen auf humorvolle und spielerische
Weise auseinander zusetzen und durch den neugewonnenen Blickwinkel, ihr kreatives
Potenzial zu entdecken. Selbstwahrnehmung und Selbstvertrauen werden so gestärkt.