In dem geplanten Unterrichtsprojekt sollen die großen und weitgehend ungenutzten Potenziale des Fotohandys für die Medienarbeit zunutze gemacht werden:
Ihre Allgegenwärtigkeit, der selbstverständliche Umgang mit ihnen ohne Vorkenntnisse und die Kombination mit dem (ebenfalls allgegenwärtigen) Computer—die ihrerseits mit den verbreiteten Webcams weitere Möglichkeiten etwa der Selbstdarstellung bieten. Fotohandys sind Teil des jugendlichen Lebensstils und damit liegt die Idee einer Partizipation aller Teilnehmer auf der Hand. Der Zugang zum Fotoprojekt ist demnach ausgesprochen niederschwellig.

Der konkrete Ablauf des Projektes könnte mit der Sichtung und Besprechung bereits vorhandener (Lieblings-) Bilder der Teilnehmer beginnen. Nach diesem ersten Austausch geht es um die Themen Selbstdarstellung und das Festhalten des persönlichen Umfelds. Die Fragen, zu denen die Projektteilnehmer Stellung beziehen sollen, könnten etwa Lauten: Was ist dir wichtig? Wie siehst du deine Umgebung/deine Freunde/deine Familie/deinen Stadtteil? Mach zehn (oder mehr) Bilder, die deinen Tag beschreiben! Mach ein Bild von dir selbst — wie siehst du dich, wie sehen dich andere, wie willst du gesehen werden? In welche Rolle möchtest du schlüpfen? Gerade Jugendliche aus bildungsfernen Schichten, denen Reflexion und verbaler Ausdruck schwer fallen, können so intuitiv und spielerisch zum Nachdenken angeregt werden, wenn es etwa um die Besprechung und Bewertung von Fotos geht. Durch einfache Tipps und Tricks lässt sich die gestalterische Qualität der Bilder rasch verbessern, das sorgt für baldige Erfolgserlebnisse bei den Teilnehmern.

In einem nächsten Schritt kann man die dokumentarische Ebene verlassen und beispielsweise einen Fotoroman oder eine Doku-Soap entwickeln. Im Laufe des Projektes können mit Hilfe des Computers verschiedene Präsentationsformen entwickelt werden - inklusive Bildbearbeitung und - Verfremdung oder Ausdrucken der Fotos etwa für eine abschließende Ausstellung.
Die Qualität der heutigen Mobiltelefone lässt all dies ohne weiteres zu: Momentan ist eine Auflösung von vier Megapixeln Standard, das ist mehr, als die ersten professionellen Digital-Spiegelreflexkameras zu bieten hatten. Somit lassen sich auch Ausstellungen mit großformatigen Bildern realisieren. Bildbearbeitung am Computer ist mit den entsprechenden Programmen eine sehr intuitive Angelegenheit, und so können als Nebeneffekt auch noch ein paar solide PC-Kenntnisse vermittelt werden.

Somit verfolgt das Fotoprojekt drei Ziele:
Zunächst die Persönlichkeitsentwicklung durch Stärkung des Selbstbewusstseins mittels Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten und Reflexion in der Gruppe;
zweitens das Erlernen von Techniken wie Bildübertragung, PC-Konvertierungen, Bildbearbeitung usw. und letztlich kreativ/künstlerische Bildung, die durch Diskussionen um Qualität einzelner Fotos, Harmonisierung von Fotoserien und gemeinsames Erarbeiten eines Ausstellungskonzeptes gewonnen wird. Der Zeitraum eines Schuljahres mit circa 40 Unterrichtseinheiten ist ideal, um auch bei schwierigeren Schülern diese drei Kernpunkte nachhaltig umzusetzen.

Es ist durchaus spannend, Handyfotos im Großformat in einer richtigen Ausstellung mit Rahmen und Passepartout zu präsentieren - Bilder, die normalerweise nur auf Miniatur-LCD‘s zu sehen sind. Die eigene Bildsprache der wie beiläufig erstellten Bilder hat dabei ihren speziellen Reiz, der so in Ausstellungen noch nicht oft zu sehen war. Vergleichbar ist sie höchstens mit der Lomograffe, die in den 90er Jahren als künstlerisches Projekt mit der Absicht antrat, bewusst mit allen Regeln der Technik und Bildgestaltung zu brechen, aber dadurch oft in ihren Ergebnissen einen gewollt dilettantischen und daher bemühten Eindruck macht. Im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010 im Ruhrgebiet sollen die Ergebnisse des Projektes auch eingebracht werden in laufende Wettbewerbe und Ausstellungen - durchaus auf Augenhöhe mit professioneller und künstlerischer Fotografie.